Fair Skills

Qualifizierung zur*zum Jugendkulturtrainer*in

Zur sozialen Bildung und Kompetenzorientierung im Übergang von Schule und Beruf

Wie können vom Bildungssystem nicht erreichte Jugendliche nachhaltig beruflich gefördert und quali­fi­zie­rt werden? Und wie lassen sich gleichzeitig zivil­ge­sell­schaftliche Grundhaltungen vermitteln? "Eine erhebliche Zahl von 16-jährigen und Jüngeren sind resigniert, weil sie als Förder- und Hauptschüler*innen ver­innerlicht haben, keine oder nur sehr schlecht bezahlte Berufsmöglichkeiten zu erhalten", so Projektinitiatorin Silke Baer. "Das schürt Passivität oder Ex­tre­mis­mus und Gewaltbereitschaft. Hier müssen dringend wirkungsvolle Lösungs­wege ge­fun­den werden". Derzeit verlassen 15 Prozent die Schule ohne Abschluss, bei Schüler*innen mit Migrationshintergrund sind es 30 Prozent. Auch den Jugendlichen mit (Haupt­schul-)Abschluss fehlen häufig zentrale be­rufs­re­levante Grundkompetenzen.

Mit dem Projekt FAIR SKILLS hat Cultures Interactive e.V. von 2009 bis 2012 ein Verfahren entwickelt, das diesen Jugendlichen Möglichkeiten der Qualifizierung und gesellschaftlichen Ein­glie­derung eröffnet. FAIR SKILLS beruht auf Jugendkulturen wie HipHop, Skate­boar­ding, Techno und medialen Aus­drucks­for­men wie Radioproduktion, und nutzt deren zivilgesellschaftliche Wert­hal­tungen. Die psychologisch fundierten Lehr­gänge, die zur*zum Jugendkultur-Trai­ner*in qualifizieren, waren flankiert von Päda­go­g*inn­nen-Fort­bil­dun­gen und Gemeinwesen orien­tierten Maß­nah­men. Denn die bisherige Arbeit von Cultures Interactive hat ge­zeigt, dass Heran­wachs­ende aus struk­tur­schwa­chen Re­gio­nen mit schlechten schu­lischen Leis­tungen oft erstaunlich viel Elan, Ziel­stre­big­keit und Kompetenz mobilisieren, wenn es um jugendkulturelle Aktivitäten geht - und dass sie darüber mitunter zu Klein­un­ter­neh­mer*innen werden. Zudem enthalten Jugendkulturen Elemente eines päda­go­gisch wertvollen Ethos der ge­gen­seitigen Anerkennung, Weltoffenheit, ak­ti­ven To­le­ranz und Gewaltvermeidung.

Praxisorientiertes und interessegeleitetes Lernen

FAIR SKILLS stellte somit eine Verbindung zweier Ziele dar: der Qualifizierung und Berufsvorbereitung einerseits und der zi­vil­gesellschaftlichkeit und Extremismus-Prä­ven­tion andererseits. Praxisorientiertes, in­ter­essegeleitetes Lernen gehen Hand in Hand mit der Aneignung von wichtigen or­ga­ni­satorischen und psychosozialen Grund­kom­petenzen: den Soft Skills bzw. Social Skills, d.h. den Fähigkeiten der Kom­munikation, der Konfliktlösung, des in­ter­kulturellen Miteinanders und der Selbst­motivation.

Nach Abschluss der Qualifizierung wurden die "Jugendkultur-Trainer*innen" bei ersten Praxiserfahrungen in selbständiger Arbeit durch psychologisch geschultes Fach­per­sonal begleitet. Gleichzeitig entwickelten sich die Lehrgangs-Teilnehmer*innen zu zivil­ge­sell­schaftlichen Faktoren ihres un­mit­tel­baren kommunalen Umfelds. "FAIR SKILLS zeigt jungen Menschen aus prekären Um­feldern, dass sie anhand ihrer eigenen In­teressen persönliche Kompetenzen aus­bau­en können, die für einen erfolgreichen Einstieg in Berufsleben und zivile Le­bens­ge­stal­tung maßgeblich sind." Ferner un­ter­streicht der Evaluationsbefund des Bun­des­projekts Xenos: dass "Aktivitäten gegen Fremdenfeindlichkeit und Ras­sis­mus" am günstigsten in direkter Ver­bin­dung mit "ei­nem arbeitsmarktlichen Kontext durch­zu­füh­ren seien", weil es hier wie dort die gleichen zentralen Persönlichkeits­kom­pe­tenzen zu fördern gilt.

Umsetzung

Über Jugend- und Arbeitsämter, Schulen, Jugendeinrichtungen und Streetwork-Pro­jekte wendete sich FAIR SKILLS an junge Menschen aus bildungsbenachteiligten Mi­lieus, die über Vorerfahrungen oder In­te­res­se im jugendkulturellen Bereich ver­fügten. Das konnte sein: Musik auflegen (DJing) oder digitale Musikproduktion, Ska­teboarden, Instrumente lernen, Comics zeich­nen, Graffiti sprühen, Break- und Street­dance, Konzerte oder Partys orga­ni­sie­ren. Die Jugendlichen wählen einen der vier Lehrgänge: GRAFIK (mit Streetart, Graf­fiti, Comic), SPORT (mit Breakdance, Skateboarding, Fußball), MUSIK (mit Tech­no u. HipHop DJ-ing, Rap, digitaler Musik­pro­duk­tion, Singer-Songwriter, Band­work­shop) und MEDIEN (mit Radio, Video, Foto, Computerpraxis). Die Teil­neh­mer*in­nen wur­den in die Lage versetzt, Anfänger*innen-Workshops mit Gleichaltrigen ihrer Region durchzuführen und dabei neben den ju­gendkulturellen Techniken auch deren zi­vil­ge­sell­schaftliche Werte weiterzugeben. Es wurde systematisch auf drei Ebenen ge­schult: (1) die Techniken der gewählten jugendkulturellen Ausdrucksformen, (2) das Hintergrundwissen über die bür­ger­recht­liche und anti-rassistische Ge­schich­te der urbanen Jugendkulturen und damit vor allem die darin enthaltenen moralisch-ethischen Grundhaltungen des ge­gen­sei­ti­gen Respekts, der aktiven Toleranz und der Gewaltvermeidung, ferner Wissen über politischen und religiösen Ex­tre­mis­mus (3) und die kommunikativen und emo­tio­nalen Grundkompetenzen (Social Skills).

Mittels niedrig-schwelliger Methoden des supervisorischen und gruppen­dy­na­mi­schen Arbeitens wurden die Teil­neh­mer*innen in ihren Fähigkeiten der Selbst-Wahr­nehmung, Konflikt-Reflektion und Gruppen-Interaktion gefördert, auch in Bezug auf Geschlechterrollen und kulturelle/ eth­ni­sche Selbstverortung. Denn Coaching und Supervision sind gerade auch bei jungen Menschen aus sozialen Brennpunkten wirk­sam (und keineswegs auf Erwach­sene in gehobener Stellung beschränkt). Des Weiteren wurden einfache päda­go­gische Verfahren vermittelt, mit denen die Jugendkultur-Trainer*innen ein produktives Klima des Peer-Learning herstellen und destruktives Verhalten z.B. durch Mobbing effektiv eingrenzen konnten. Auch der Auftritt vor Behörden und der Umgang mit regionalen Einrichtungen wurden geschult.

Es fanden 15-tägige Lehrgänge in mehreren Blöcken in der EJBW Weimar während eines halben Jahres statt, an denen 16- bis 22-Jährige teilnahmen, die ausbildungs- oder arbeitslos waren bzw. aus Förder-, Haupt-, Regel- und Berufsvorbereitungs-Schulen kamen. Nach Abschluss wurden die zertifizierten FAIR SKILLS-"Jugend­kultur­Trai­ner*innen" darin unterstützt, Kon­takt zu Jugendeinrichtungen in der Nähe ihres Wohnortes herzustellen, wo sie ihr erworbenes Können in eigenen Work­shops an andere Jugendliche weitergeben konnten. Die Pädagog*innen dieser Jugend­ein­rich­tungen erhielten Fortbildungen über den ju­gend­kul­turellen Peer-Learning-Ansatz so­wie über Gewalt- u. Extremismus-Präven­tion, um eine fachgerechte Betreuung vor Ort zu gewährleisten. Arbeitgeber und Behörden der infrastrukturschwachen Re­gion wur­den nachdrücklich ermuntert, zu FAIR SKILLS beizutragen, um die Lage der jungen Menschen zu verbessern und die zivilgesellschaftlichen Ressourcen vor Ort zu stärken.

Laufzeit

April 2009 bis April 2012

Förderung

FAIR SKILLS wurde gefördert durch das Programm XENOS vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales, von Aktion Mensch, der Weimar-Jena-Akademie sowie der Europäischen Jugendbegegnungsstätte Weimar (EJBW).

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