Exit Europe

Etablierung und Verankerung lokaler Ausstiegs- und Distanzierungsprogramme

Aufgrund der zunehmenden Bedrohungslage von Radikalisierung und Rekrutierung in extremistische Netzwerke und terroristische Organisationen in Europa stellen die Weiterentwicklung sowie die Umsetzung einer europäischen Infrastruktur und Kompetenzbasis im Kampf gegen gewaltbereiten Extremismus eine immer größere Herausforderung auf sämtlichen Ebenen dar. Trotz beachtlicher Fortschritte im Rahmen der europaweiten Präventions- und Deradikalisierungsarbeit bedarf es mehr denn je der Entwicklung effektiver und innovativer Ausstiegsprogramme auf lokaler Ebene, um allen Erscheinungsformen von gewaltbereitem Extremismus länderübergreifend bestmöglich entgegenzuwirken. Insbesondere in Süd- und Osteuropa mangelt es bislang zum Großteil an der Sensibilisierung und Implementierung von Programmen zur Bekämpfung von extremistischen Narrativen mit hohem Gewaltpotenzial, während in Ländern mit ausreichend Expertise und bereits etablierten Initiativen auf dem Gebiet nach wie vor Ergänzungsbedarf hinsichtlich der Kooperation von staatlichen und zivilgesellschaftlichen Stakeholdern besteht.

Europaweite Stärkung der Ausstiegsarbeit

Das primäre Ziel von EXIT Europe besteht in der Schaffung einer fundierten Methodologie mit gesamtgesellschaftlichem Lösungsansatz, in der Etablierung und lokaler Verankerung evidenzbasierter und praxisorientierter Ausstiegsprogramme sowie einer internationalen Vernetzung für die europaweite Stärkung der Ausstiegsarbeit im Kontext von gewaltbereitem Extremismus und Terrorismus. Im Rahmen des Projektes werden lokal basierte Ausstiegsprogramme in Regionen mit bislang fehlenden oder mangelnden Ressourcen in der Präventions- und Deradikalisierungsarbeit entlang einer europäischen Ost-nach-West-Achse entwickelt – von Österreich ausgehend, über die Partnerländer Deutschland, Italien, Frankreich, Spanien und der Slowakei bis hin zu den assoziierenten Partnern Ungarn und der Tschechischen Republik.

Die Initiative EXIT Europe wurde von Harald Weilnböck, wissenschaftlicher Leiter von Cultures Interactive, konzipiert und als Projekt eingereicht. Nun begleitet er die Umsetzung durch das österreichische Bundesministerium für Inneres als wissenschaftlicher Koordinator.

Diese Merkmale zeichnen die lokalen Ausstiegsprogramme aus:

  • Die vorhandene Expertise zu praxisorientierter Distanzierungs- und Deradikalisierungs-/Ausstiegsarbeit des „Bundesweiten Netzwerks Extremismusprävention und Deradikalisierung“ der österreichischen Bundesregierung sowie die Pilotphase des Österreichischen Ausstiegsprogrammes aus dem gewaltbereiten Extremismus, dessen Vorgangsweise in der Präventions- und Distanzierungsarbeit aus dem gewaltbereiten Extremismus neu und einzigartig ist, bilden aufgrund des bisherigen Erfolges die Basis für EXIT Europe.
  • Die Bezugnahme auf den jeweiligen lokalen Kontext aller Partnerländer, um die Ausstiegsarbeit auch auf kommunaler Ebene proaktiv und effektiv einsetzen zu können.
  • Das deutsche Präventionsprogramm „Demokratie Leben!“, insbesondere die nationalen  Arbeitsgruppen zu Ausstiegs- und Distanzierungsarbeit innerhalb des Programmes.
  • Die methodologischen Richtlinien und Qualitätskriterien des „RAN Derad Declaration of Good Practice” vom „Radicalisation Awareness Network“ (RAN CoE) und ihrer RAN Derad/Exit group.
  • Kürzlich etablierte methodologische Innovationen, wie das Tandemverfahren der triangulären Ausstiegsarbeit und das Konzept der „formativen Evaluation“, das wesentliche Aspekte von Evaluation und Beratung näher an die tatsächlichen Arbeitsprozesse heranführt und somit Effekte in der Ausstiegsarbeit tendenziell verstärkt.
  • Die proaktive Förderung von Bewusstseinsbildung und Kenntniserweiterung hinsichtlich rechtlicher Aspekte für Informationsaustausch und Datenschutz mit eingebundenen Elementen der „Restorative-Justice“-Methodologie in institutionsübergreifender Ausstiegsarbeit.
  • Die Berücksichtigung eines geschlechtsspezifischen Ansatzes für die Konzipierung, praktische Umsetzung und Evaluation des gesamten Projektverlaufes.


Extremismusübergreifende Perspektive

Die im Rahmen von EXIT Europe angestrebte extremismusübergreifende Perspektive ermöglicht die Bezugnahme auf bedeutsame Schlüsselelemente einer psychosozialen Betreuung und Beratung in der lokalen Ausstiegsarbeit entlang verschiedener Erscheinungsformen des gewaltbereiten Extremismus (Islamismus, Neo-Nazismus, regionale Hass-Gruppierungen etc.). Mit Rücksichtnahme auf Herausforderungen im Zusammenhang mit Radikalisierung im jeweiligen lokalen Kontext stehen sie bei der Entwicklung und Implementierung der lokalen Ausstiegsprogramme allseits im Fokus.

Gesamtgesellschaftlicher und gesamtstaatlicher Lösungsansatz

EXIT Europe verfolgt einen von der Österreichischen Bundesregierung propagierten gesamtgesellschaftlichen und gesamtstaatlichen Lösungsansatz, der sowohl Maßnahmen der Deradikalisierung/Distanzierung als auch der Rehabilitation/sozialen Re-Integration beinhaltet. Alle lokalen Aktivitäten in der Ausstiegsbegleitung und -beratung liegen einer zivilgesellschaftlichen Basis zugrunde, indem im Rahmen des Projektes lokal basierte Teams von Ausstiegs-Praktiker*innen aus der Zivilgesellschaft und dem öffentlichen Sektor gebildet werden. Gemäß jenem Lösungsansatz sind enge Kooperationen mit den lokalen Sicherheitsbehörden und anderen bedeutsamen Stakeholdern der lokalen Ausstiegs- und Distanzierungsarbeit vorgesehen, die durch unabhängige Expert*innen der „formativen Evaluation“ für die kontinuierliche Beratung und Evaluation lokaler Aktivitäten ergänzt werden.

Mit der Weiterbildung zu lokalen Community-PVE-Netzwerken werden Interventionen der schrittweisen Re-Integration in die Gesellschaft einerseits sowie einer Reduktion von gesellschaftlicher Polarisierung andererseits angestrebt. Infolge von öffentlicher Kommunikation und Bewusstseinsbildung über die Notwendigkeit von Ausstiegs- und Distanzierungsarbeit und damit zusammenhängenden Maßnahmen wird auf proaktive Weise ein gesamtgesellschaftlicher und gesamtstaatlicher Lösungsansatz im Sinne der Prävention von gewaltbereitem Extremismus und Hassverbrechen gefördert. Aufgrund der Zusammenführung möglichst aller relevanten Akteur*innen der Ausstiegs- und Distanzierungsarbeit kann somit eine enge Zusammenarbeit für die praxisbezogene Umsetzung und den Ausbau der Ausstiegsprogramme auf lokaler Ebene auch langfristig und nach Ende des Projektes ermöglicht werden.

Projektdauer

01.01.2019 – 31.12.2020

Förderung

Internal Security Fund – Police der Europäischen Union

Projektpartner*innen

  • Bundesministerium für Inneres, Abteilung Prävention, Österreich (Projektkoordination)
  • Association Dialogues Citoyens, Frankreich
  • Ayuntamiento de Malaga (MALAGA), Spanien
  • Fondazione Benvenuti in Italia (BENVENUTI), Italien
  • Mládež ulice – Youth Street Work (MLADEZ), Slowakei
  • Österreichisches Institut für internationale Politik (OIIP), Österreich
  • Türkische Gemeinde Schleswig-Holstein (TGSH)
  • Vrije Universiteit Brussel (VUB), Belgien